ULRICH WEGENER

 

Otto KOCH, 1880 - 1938, war einer der reichsten Männer in Schöningen am Elm, ...

 

... als Sohn eines nicht erfolglosen, also nicht armen, aber keineswegs reichen Cigarren-Händlers, also wohl vor allem aus eigener Kraft und Tüchtigkeit, mindestens bis 1933, im März.

 

Maria KOCH, geborene Eimicke und Otto KOCH

 

Da schlugen ihn Schöninger Nazis in ihrer Stamm-Kneipe Schwarzer Adler am Markt in Schöningen zum Krüppel. Die erzwangen mit Knüppeln und Peitschen neben Fäusten den unterschriftlichen Verzicht auf jede politische Tätigkeit. KOCH war als freier Bürger einer demokratischen Republik nach 1918 auch führend politisch aktiv gewesen: So unter anderem für die SPD als Ratsherr im Rat der Stadt, als Vorsitzender im Landkreis Helmstedt des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, einer parteiübergreifenden Schutzorganisation der Weimarer Republik, als Vorsitzender der Klempner-Innung im Landkreis Helmstedt. KOCH war erheblich körperlich verletzt, dann sehr bald vollkommen arbeitsunfähig bleibend. Er war körperlich und seelisch leidend, verstarb deshalb schon 1938 in Schöningen an den Folgen der Folter und der Verfolgung.

 

KOCH war als Handwerker mit großer Klempnerei und Installations-Werkstatt und als Kaufmann für Haushalts- und Sanitätswaren, später auch Spielzeug, in einem "Haus der Geschenke" auf immer größerer Fläche in mehreren Häusern am Markt und dessen Zugangsstraße Neues Tor außerordentlich erfolgreich.

 

Seine Kinder durften auf ein stattliches Erbe hoffen. Die in der Nachkriegszeit geborenen Enkel-Kinder - also auch ich als im März 1947 Geborener - hätten eine gute Chance gehabt, mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren zu werden. Es kam vollkommen anders, wir bekamen wenig, immerhin aber auch keine Schulden als Erbe nach Vaters Tod 1989. Lediglich die Cousine Regina durfte für ein größeres Haus im Neuen Tor nach dem Tod der Mutter Hilde KOCH Ende der 90er als Erbin antreten, vor allem das Verdienst deren Vaters Gustav KOCH, der schon Ende der 60er seiner Frau voranging.

 

Von Anfang 1933 an, schon drei Jahre vorher beginnend, konnten KOCH´s Werkstatt und sein Geschäft nur noch immer weniger werdende Umsätze erreichen. Es war nicht ohne persönliche Gefahr für Freiheit, ja für Leib und Leben weiter bei KOCH einzukaufen oder Handwerker-Aufträge zu erteilen. Aufträge, des Landkreises, der Stadt, der Schöninger Stadtwerke, der Betriebe und Einrichtungen, der Saline und anderer Firmen gab es selbstverständlich keine mehr.

 

Die Warenlager von KOCH sollen zu großen Teilen von oder im Auftrag der Nazis geplündert und/oder beschlagnahmt worden sein. Oft zu Gunsten der Konkurrenten KOCH´s: Dem Spielwarenhändler SCHNIOTALLE in der Bismarck-Straße und den Haushaltswaren-Händlern LÜDERS und PIEPER in der Niedernstraße. Das berichtete meine Mutter, stets hinzufügend, dass das aber nicht zu beweisen sei. KOCH sei von SA- und Polizeiführern auch bei vielen schikanösen Hausbesuchen gewarnt worden, sich gegen diese Schikanen und Machenschaften zu wehren, gar Strafanzeige zu stellen.

 

Der Lebensunterhalt der Familie musste so mehr und mehr, schließlich überwiegend von Rücklagen und schikanösen Notverkäufen statt von aktuellen Einnahmen bestritten werden. Werkstatt und Geschäft mussten im Kriege als nicht kriegswichtig geschlossen, Geschäftsräume und Werkstätten mussten nach und nach verkleinert und aufgegeben werden.

 

Noch 1938 im Sterbe-Bett wurde KOCH wie vorher beinah regelmäßig von SA, der Polizei, der Gestapo (Geheime-Staats-Polizei) und der SS verhört. Die Nazis konnten vor allem nicht glauben, dass KOCH als lokaler Reichsbanner-Führer nicht über ein bürgerkriegsfähiges Waffenlager verfügte. Dabei dürfte dieses Waffenlager - leider, obwohl zwingend geboten - tatsächlich nie angelegt worden sein. Im Gegenteil lehnte der Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold mehrheitlich, dabei auch KOCH die Bewaffnung der DemokratInnen als Bürgerwehr entschieden ab, schloss waffenführende Mitglieder aus.

 

Schon vor 1933 fühlten sich KOCH und seine Familie ständig bespitzelt und schikanös auf Schritt und Tritt beobachtet. Dabei sollen auch Männer beteiligt gewesen sein, die vor 1933 als ungelernte Hilfskräfte bei und für KOCH gearbeitet hatten, sich nun gegen den früheren Chef als Herren, als beinah allmächtige Herrschaften aufspielten.

 

Meine Mutter, wie auch Vater und Großvater haben nie Namen der Männer genannt, die sich ab März 1933 so vieler Verbrechen gegenüber KOCH aber auch seiner Familie schuldig gemacht hatten. Die Familie hat nach der Befreiung 1945 gegen keinen der doch sehr gut bekannten Täter Strafanzeige erstattet.

 

Das Wiedergutmachungs-Verfahren wurde bis Mitte der 50er Jahre wohl nur wegen der Initiative des Großvaters Rudolf WEGENER sen. betrieben, war dann vollkommen erfolglos. Das war wohl entscheidend ein Versagen des Rechtsanwalts MORGENSTERN, einem sozialdemokratischen Funktions- und Mandatsträger aus Wolfenbüttel, für den es später immerhin zum Mitglied des Bundestags reichte.

 

Otto KOCH war ein Mann, über den schon wegen seines außerordentlichen Erfolgs als sozialdemokratischer Kapitalist und dessen Schicksal als ein reicher Sozialdemokrat unter den Nazis in einer kleinen Stadt im Braunschweiger Land der Bericht lohnt, oder? Doch nicht nur weil Otto KOCH der Vater meiner Mutter Annemarie WEGENER, also mein Großvater mütterlicherseits ist. Jedenfalls ist es rückblickend unverständlich, warum es über die sozialdemokratischen Opfer der Nazis keine erinnernde schriftlichen Berichte gab und gibt.

 

Der hier vorliegende Bericht kann mit einigen Dokumenten belegt werden. Immerhin. Wird doch Wichtiges aus dem Leben KOCHs immer noch angezweifelt, ja sogar bestritten. Es ist wohl überfällig, zu berichten, schriftlich, öffentlich.

 

Bis Herbst 2013 habe ich mich damit, mit einem schriftlichen Bericht, schon mit Nachforschungen über Otto KOCH zurück gehalten. Wartete immer auf einen Bericht, auf Berichte anderer. Denen als Dritte genügend Distanz nicht bestritten werden kann, deren Bericht dadurch sehr viel glaubwürdiger sein würde. Ich wusste ja sowieso nur alles vom Hörensagen von vor allem meiner Mutter.

 

So lange ich denken kann, erinnere ich mich an die wiederkehrenden Berichte meiner Mutter, zu passenden und unpassenden Gelegenheiten. Die mich manchmal störten, hin und wieder peinlich waren. Wohl auch überforderten. Wurde doch der Vater von der Tochter nicht nur idealisiert, verehrt, sondern beinah heilig gesprochen. War deshalb als Vorbild unerreichbar.

 

Immer noch habe ich es nicht geschafft, mal in Archiven zu wühlen, die es über Schöningen so gibt. Da muss was zu finden sein. Obwohl andere bis jetzt nichts gefunden haben, denen ich Fragen für das, ihr Suchen in Archiven mitgegeben hatte.

 

Dietrich KUESSNER fand nichts, obwohl er das Märchen vom Roten Schöningen erzählt - ohne KOCH auch nur einmal zu erwähnen - und dafür in Archiven forschte.

 

Auch ein junger Mann, Burkhard JÄGER fand Mitte der 80er nichts. Der sollte und wollte vom Arbeitsamt bezahlt zur Schöninger Geschichte in der Nazi-Zeit forschen. Ließ in seinem Buch Konkretes aber schön aus, nannte wenige Opfer, überhaupt keine Täter, weil er angeblich nichts fand. Wenn ich sein Büchlein richtig erinnere, das mir verloren ist.

 

Und Regina HAUSMANN, meine Cousine (Tochter des Gustav KOCH, der ältere Bruder Annemarie´s) hat wegen des Zeitaufwands das Vorhaben um 2010 herum schließlich aufgegeben, in Archiven zu forschen.

 

Es dürfte in den Archiven mindestens mehr geben, als Google bereits so zu den Begriffen Schöningen und Nazi und KOCH so findet, was schon einiges ist.

 

Die Schöninger SPD gedenkt, 2013 wieder wie seit Anfang der 80er, diesmal zum achtzigsten Jahrestag im März den Opfern der Nazis. Was wohl seit den 1980ern dem Lehrer Siegfried PAUSE zu danken ist. Neben Rolf-Dieter BACKHAUß, dem 1988 Tränen die Trauerrede für Annemarie WEGENER erschwerten, von Otto KOCHs Schicksal als einem Vermächtnis für die Tochter berichtete.

 

Sonst gibt es weitere gute, wichtige Erinnerungs-Aktionen an Schöninger Opfer der Nazis, auch Stolpersteine. Neben anderen auch für Otto KOCH eine Straße, was meine Mutter noch erlebte, dankbar.

 

Nun passiert im Herbst 2013 etwas völlig Unerwartetes:

 

Vorweg: Alle meine Bücher, Akten, Archivalien, Briefe, Tagebücher, Zeugnisse, buchstäblich Alles gingen 2011 nach der Auflösung meiner Wohnung und meiner Praxis für Psychotherapie verloren. Nur weniges, weniger wichtiges hatten meine Kinder Franziska und David und meine Schwester Gudrun und meine Schwägerin Uschi HABEKOST gesichert, bevor der Umzugsunternehmer im Auftrag des als Betreuer eingesetzten Rechtsanwalts kam, der angeblich alles verbrannte, statt alles aufzubewahren, zu lagern. Das - die Vernichtung aller Dokumente meines Lebens - war die schlimmste Folge meiner Krankheit, einer sonst meist tödlichen Sepsis.

 

Nun brachte 2013 mein Neffe Martin OHST, beauftragt von meiner Schwester Gudrun eine Kiste, mit Fotos und Dias meines Vaters. Die hatte sie gesichert, 2011. Reingeguckt hatte sie noch nicht. Das sollte ich nun tun und tat es. Da fand ich einen grünen Schnellhefter, mit mehr als 100 Seiten. Die müssen vom Großvater Rudolf WEGENER, dann von meinem Vater aufgehoben worden sein. Das waren Dokumente, Berichte und Urteile auch über Otto KOCH. Was ich vorher noch nicht entdeckt hatte, obwohl die Kiste seit Vater´s Tod 1989 bei mir rumstand.

 

Nun konnte und kann und muss ich über Otto KOCH berichten. Da ich wenigstens einiges mit einigen Dokumenten belegen kann. Ich nicht allein auf die Erinnerung an Mutter´s natürlich lediglich mündliche Berichte angewiesen bin.

 

Also:

 

Geboren wurde Otto KOCH in Schöningen, wo dessen Vater Hermann und Mutter Miara KOCH, geborene EISFELDT wohnten.

 

Ob seine Eltern auch bereits in Schöningen geboren wurden oder zugezogen sind, ist unbekannt.

 

Beide waren evangelisch.

 

Der Vater Hermann KOCH war Cigarrenhändler, mit C statt mit Z. Die Geburtsurkunde liegt mit einer Abschrift aus dem Jahre 1941 vor, da war Otto schon drei Jahre tot. Welchen Anlass es damals für die Abschrift gab ist unbekannt.

 


Mit Klick auf die Urkunde zur Vergrößerung zum besseren Lesen.

 

Über die Kinder- und Schulzeit und den Schulabschluss gibt es keine dokumentierten oder erinnerte mündliche Informationen. Das kann aber nicht erfolglos gewesen sein.

 

Otto KOCH war schließlich Geselle dann Klempner-Meister geworden. Mit einer eigenen Werkstatt. Kaufmann war er wohl durch Geburt als Sohn eines Händlers, eines Kaufmanns. Jedenfalls ist nichts über eine kaufmännische Ausbildung bekannt.

 

Neben der Werkstatt betrieb KOCH ein Geschäft, verteilt über mindestens drei, wahrscheinlich 5 Häuser. Am Markt, Ecke der Straße Neues Tor, eines Neue Tor 23, eines in der Mitte des Neuen Tor und eines Ecke Neue Tor 19 und Falkenplatz. Das Foto zeigt Otto KOCH mit seinem, angeblich erstem Personenkraft-Wagen vor dem Haus am Markt.

 

Otto KOCH mit seinem ersten(?) Auto

 

 

 

 

 

 

Wann KOCH mit Werkstatt und Geschäft begann, ist nicht bekannt. Das muss er aber noch weit in Kaisers Zeiten begonnen haben, um und nach 1900 herum. War offenbar erfolgreich, im allgemeinen Wirtschaftserfolg des Kaiserreichs.

 

Ob Otto KOCH seine Häuser vom Vater geerbt oder sich selbst erarbeitet, erworben, gekauft, gemietet hat ist nicht bekannt. Da müsste mal in den Grundbüchern in Schöningen nachgeguckt werden. Nach der Erinnerung waren die drei Häuser in der Straße Neues Tor im Besitz KOCHs. Jedenfalls waren die Häuser als Erbschaft jeweils eines im Besitz der drei Kinder der Familie KOCH Gustav, Annemarie und Edith HEIMBERG. Annemarie und Edith verkauften ihr Haus Anfang der 50er Jahre. Gustav KOCH sicherte sein Haus, das mit einigen Wohnungen auch Mieteinnahmen brachte. In wohl unzähligen Arbeits-Wochenenden brachte Gustav das Haus mit Renovierungen und Ausbauten auf die Höhe der Zeit. Wohl bis zu ihrem Tod in den 90ern wohnte dort die Witwe von Gustav Hilde KOCH.

 

Otto KOCH hatte wohl nicht auf ein bedeutenderes Vermögen als Erbschaft zurückgreifen können. Der Vater hatte es als Cigarrenhändler geschafft, Armut zu vermeiden, wohl aber kein bedeutendes Vermögen erwirtschaftet. Jedenfalls ist da nichts bekannt. Hier muss ich doch mal in die Schöninger Heimatbücher des Lehrers und Mittelschulrektors Karl ROSE nachgucken, die mir leider alle auch 2011 verloren gegangen sind.

 

Über Kunden der Werkstatt und des Geschäfts von KOCH ist nur ganz weniges konkret bekannt.

 

Beim Spazierengehen an der Schöninger Saline zeigte uns Kindern die Mutter immer freie, über eine Straße laufende Rohre, mit riesigem Durchmesser von mehr als einem Meter, die das Werk des Großvaters und noch in den 50ern in Betrieb waren.

 

Neben Aufträgen der Industrie dürfte es auch Aufträge der Kommunen und des Staates gegeben haben. Allein mit Aufträgen von Privatleuten ist der Erfolg der Werkstatt wohl nicht zu erklären.

 

Haus- und Küchengeräte waren ein wahrscheinlich wachsender Markt durch die Nachfrage privater Haushalte. KOCH bezeichnete sein Geschäft als ein Haus der Geschenke. Es wäre spannend, das Angebot durch Finden von Anzeigen in den Schöninger Zeitungen mal zu recherchieren.

 

Otto KOCH hatte Kunden bis nach Oschersleben / Bode im Osten und über Schöppenstedt hinaus im Westen, über Helmstedt hinaus im Norden bis in den Vorharz im Süden..

 

Ob KOCH alleiniger Inhaber und Eigentümer von Werkstatt und Geschäft war, ist nicht eindeutig, jedenfalls gibt es keine Hinweise auf Mitinhaber. Nach seinem Tod gründeten die Kinder Gustav KOCH, Edith KOCH und Annemarie KOCH mit der Mutter Marie KOCH eine Otto-Koch-oHG., eine offene Handelsgesellschaft. Das war beim Scheitern des Geschäfts, die Werkstatt arbeitete schon nicht mehr, in der ersten Hälfte der 50er nicht ohne, aber nicht weiter bekannter Bedeutung. Denn es gab Streit der Geschwister - wie wohl immer bei Misserfolgen.

 

Werkstatt und Geschäft muss er schon in jungen Jahren eröffnet haben. Rudolf WEGENER sen. berichtet, dass KOCH schon in 1900, also als gerade mal 20jähriger (!) als selbständiger Handwerker und Kaufmann aktiv war. So hatte WEGENER KOCH kennengelernt, als er 1918 mit seiner Familie aus Halle/Saale nach Schöningen, in die Prinzenstraße zuzog.

 

WEGENER, selbst von seiner Frau Martha, geborene SOBANSKY in die SPD gebracht, war Kaufmann und fand Erwerbsarbeit bei der Schöninger Saline. Über KOCH haben wir schriftliche Berichte von WEGENER, die ab Ende der 40er in - allerdings komplett erfolglosen - Wiedergutmachungsverfahren als Aussagen gemacht wurden.

 

Otto KOCH war gewerkschaftlich und politisch schon in 1900 in der SPD aktiv. Schon bald als Ratsherr für die SPD in Schöningen. Ebenso als Innungs-Meister der Klempner-Innung. Und als Führer des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Beides für das Gebiet des Landkreises Helmstedt.

 

Dass selbständige Handwerker und Kaufleute, also Unternehmer als Minderheit neben Arbeitern und anderen abhängig Erwerbstätigen Sozialdemokraten waren, war nicht selten. Weder im Reich, noch im Braunschweiger Land. War doch schon der Gründer der Braunschweiger SPD Wilhelm BRACKE Mitte des 19. Jahrhunderts ein reicher Kaufmanns-Sohn, Dr. Heinrich JASPER Anfang des 20. Jahrhunderts Braunschweiger SPD-Führer wohlhabender Rechtsanwalt und reicher Erbe.

 

Otto KOCH war zweifelsfrei in der SPD ein Vertreter des Reformismus. KOCH war sicher Anhänger und Verteidiger der Weimarer Republik. Sonst wäre er nicht als lokaler Führer des Reichbanner-Schwarz-Rot-Gold aktiv gewesen.

 

Jedenfalls berichtete die Mutter oft eine Geschichte aus den November-Tagen 1918. Da soll KOCH gemeinsam mit WEGENER auf dem Schöninger Burgplatz verhindert haben, dass einige Dienstgebäude, darunter das Amtsgericht, von einer Menge von Revolutionären gestürmt und in Brand gesetzt wurden. Die beiden Sozialdemokraten schützten also mit ihrem Leib und Leben als Demokraten Leib und Leben von Monarchisten und Konservativen. Wohl auch solcher Leute, die 1933 schwiegen, als die Nazis ihre Retter von 1918 brutal zu Opfern machten.

 

Die Familien KOCH und WEGENER waren durch die politische Gemeinschaft in der Schöninger SPD auch persönlich befreundet, aber keineswegs verwandt. Zur Verwandtschaft kam es erst Anfang der 40er Jahre durch Verlobung und Heirat meiner Eltern Annemarie und Rudolf. Das hat der 1938 verstorbene Otto KOCH nicht mehr erlebt.

 

HIER GEHT´S WEITER ...

 

Hier der Bericht, das Protokoll seiner Aussagen vor der Entschädigungskammer des Landgerichts Braunschweig am 23.03.1956 von Rudolf WEGENER über die Tage im März, im Frühjahr 1933:

 

"... Ich heiße Rudolf WEGENER, geboren am 23.03.1894, Industriekaufmann, wohnhaft in Wolfenbüttel. Mein ältester Sohn ist mit der Tochter des verstorbenen Otto KOCH verheiratet.

 

Von 1918 bis 1933 war ich in Schöningen ansässig. Als der verstorbene KOCH 1918 aus dem Felde (Krieg, Front) zurückkehrte, lernte ich ihn kennen. KOCH sen. (Senior) war schon damals als Stadtverordneter in Schöningen tätig. KOCH sen. gehörte m. W. (meines Wissens) seit Anfang 1900 zur SPD.

 

Etwa im März 1933, ungefähr um die Zeit, als die Misshandlungen im Lande Braunschweig nach der Machtübernahme stattfanden, wurden auch in Schöningen von SA- und Hilfspolizei und SS-Leuten politisch anders Denkende abgeholt. Auch Otto KOCH wurde an diesem Tage, wie ich gehört habe, am Vormittag verhaftet und nach dem "Schwarzen Adler" gebracht. Es handelt sich hier um ein Lokal, das neben dem Rathaus liegt. Am Abend desselben Tages kehrte Otto KOCH zurück.

 

Er wollte nicht mehr in Schöningen bleiben und erklärte mir, dass auch ich gesucht würde. Deshalb beschlossen wir, aus Schöningen zu verschwinden. Der Sohn von Otto KOCH, Gustav KOCH, und dessen Vater fuhren im Pkw (Personenkraftwagen, Auto) in Richtung Esbeck. Ich war in diese Richtung vorausgegangen und stieg dann ebenfalls in den Pkw mit ein. Wir fuhren dann über Flechtingen nach Magdeburg. Am Buckauer Tor in Magdeburg schickte Otto KOCH sen. seinen Sohn wieder zurück und wir sind dann zum Bahnhof gegangen. Nunmehr erzählte mir Otto KOCH, dass er schwer misshandelt worden sei und zeigte mir in den Toilettenräumen des Magdeburger Hauptbahnhofes seine Verletzungen. Die Rückenpartien, Nacken, Lenden und Waden sowie ein Arm wiesen Spuren von den Verletzungen auf. Gegen 23 Uhr fuhren wir weiter von Magdeburg nach Halle an der Saale. Am anderen Tage suchten wir in Halle einen Arzt auf. Der Arzt befürchtete, dass die Nierenpartien schwer beschädigt sein könnten. KOCH sen. und ich wohnten bei meinem Schwiegervater. Wir hielten uns in Halle etwa 4 - 6 Wochen auf. KOCH sen. ging in Halle mehrere Male zum Arzt. Bettlägrig ist er nicht gewesen. Wir haben nichts zu tun gehabt und KOCH konnte sich ausruhen. Auf der Heimreise sind wir noch in Magdeburg geblieben. Wir wohnten beide bei seiner Schwiegermutter in der Arndtstrasse. Pfingsten 1933 etwa - um diese Zeit meine ich - kehrte ich nach Schöningen zurück und KOCH einige Wochen später. Otto KOCH betrieb dann unter Mithilfe seiner Familie sein Geschäft weiter. Er war aber sehr menschenscheu geworden. Anfang Juni 1933 verlegte ich meinen Wohnsitz von Schöningen nach Magdeburg. KOCH sen. besuchte mich dann jährlich 1 - 2 mal in Magdeburg. Als KOCH sen. mich in Magdeburg besuchte, klagte er schon über körperliche Beschwerden, ohne im einzelnen zu sagen, um was es sich handelte. Otto KOCH sen. versuchte es mit Heilkundigen und ist auch zu Homöopathen gegangen. Dieses hat mir KOCH bei seinen Besuchen erzählt und ich weiß es auch aus Erzählungen gemeinsamer Freunde. Nach der Operation in Halle war KOCH sen. bei mir in Magdeburg. Er glaubte, dass es durch die Operation mit ihm besser werden würde und schien aufgepulvert. Ich habe mir dann im Frühjahr 1938 einen Pkw angeschafft und fuhr dann auch einmal nach Schöningen. Bei dieser Gelegenheit besuchte ich auch KOCH. Er saß am Fenster und hatte damals eine gelbe Gesichtsfarbe. Dieses war das letzte Mal, dass ich KOCH vor seinem Tode gesehen habe. Bei diesem letzten Mal fand ich KOCH sen. vollkommen apathisch. .... Unterschriften"

 

Ergänzungen von Marie KOCH:

 

Ergänzungen von Rudolf WEGENER

 

Es geht bald weiter.

 

Sammlung der Dokumente

 

Aussage von Rudolf WEGENER vom 27.03.1956 vor der Entschädigungskammer des Landgerichts Braunschweig

 


Klick auf das Schreiben zur besser lesbaren Größe

 

Als ich David, unserem Sohn zum ersten Mal über Leben und Tod des Otto KOCH, seines einen Urgroßvaters als wohl 10jährigem Jungen berichtete, da sagte David spontan: "Dann hätte es ja keinen Krieg gegeben." Stimmt. Wenn Otto KOCH und so viele andere nicht schon im März 1933 gefoltert und ermordet, wie KOCH zum todkranken Krüppel geschlagen worden wären, KOCH schließlich 1938 verreckte, während die SA sein Sterbezimmer durchwühlte, wenn KOCH und seine Freunde und Genossen von der SPD 1933 über HITLER und dessen NSDAP gesiegt hätten, dann hätte es keinen Krieg, keinen zweiten Weltkrieg gegeben. "Da hatte der also Recht." So David. Stimmt.

 

 

 

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ULRICH WEGENER

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05 31 / 29 58 82 30

persönlich sicher erreichbar schultags 06:30 - 07:30 Uhr, sonst immer Mailbox, Rückruf

Ulrich-Wegener@gmx.de

 

Erstellt am 21.07.2013, zuletzt geändert am 16.02.2021

 

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